Illustration: Marta Pucci

Lesezeit: 6 min

Kann ich vom Lusttropfen schwanger werden?

Die kurze Antwort lautet Ja.

*Übersetzung: Judith Quijano

Viele Menschen stellen sich die Frage, ob sie vom Lusttropfen schwanger werden können. Die kurze Antwort lautet ja.

Um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft durch den Lusttropfen (Präejakulat) zu ergründen, müssen wir erst einmal festlegen, wie wirksam die Rausziehmethode ist, der Existenz von Spermien im Lusttropfen auf den Grund gehen und erläutern, für wen die Rausziehmethode geeignet ist und für wen nicht. Man spricht von der Rausziehmethode, vom Coitus interruptus oder unterbrochenem Sex als Verhütungsmittel, wenn ein Partner seinen Penis vor dem Ejakulieren aus der Vagina der Partnerin zieht und von den Genitalien der Partnerin weghält. Das ist in der Regel beim oder rund um den Zeitpunkt des Orgasmus der Fall. Bei den meisten gesunden Menschen enthält Ejakulat ausreichend Spermien, um zu einer Schwangerschaft zu führen. Indem der Penis rausgezogen wird, sollte das Ejakulat theoretisch niemals die Eizelle der Partnerin erreichen, wodurch eine Schwangerschaft verhindert würde. Kein Sperma, kein Problem.

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Kann die Rausziehmethode wirksam eine Schwangerschaft verhindern?

Die Rausziehmethode gilt nicht als sehr effiziente Verhütungsmethode. Von 100 Personen, die nur mit der Rausziehmetode verhüten, werden innerhalb eines Jahres geschätzt 10 bis 27 schwanger (1, 2). Selbst bei einer theoretisch "perfekten" Anwendung würden geschätzt 4 von 100 Personen innerhalb eines Jahres schwanger – es kann allerdings problematisch sein, die Methode "perfekt" anzuwenden (1, 2). Theoretisch sollte die Rausziehmethode also funktionieren (kein Sperma, kein Problem, richtig?). Warum sind dann die Schwangerschaftsquoten bei der Rausziehmethode so hoch?

Ein Grund liegt darin, dass es für manche Menschen schwierig ist, die Rausziehmethode anzuwenden. Man kann leicht vergessen, den Penis im richtigen Moment rauszuziehen. Alternativ könnte es sein, dass die Person sich nicht darüber bewusst ist, dass sie kurz vor dem Ejakulieren steht und es dann zum Rausziehen schon zu spät ist (1, 2). Ein korrektes Rausziehen bei jedem Geschlechtsverkehr erfordert ein hohes Maß an Kontrolle und Selbstwahrnehmung seitens des Rausziehenden und ein großes Vertrauen seitens der Partnerin. Die Kontrolle der Anwendung dieser Methode liegt vollständig in der Hand einer Person und es ist unmöglich, im Nachhinein zu beurteilen, ob die Methode korrekt angewandt wurde.

Ein weiterer, häufig aufgezeigter Grund ist, dass Sperma im Präejakulat (oder Lusttropfen) vorhanden sei (3). Das Präejakulat wird vor dem Ejakulat als Gleitmittel für den Sex freigesetzt und hilft dabei, den Säurehaushalt in der Harnröhre im Gleichgewicht zu halten, denn die männliche Harnröhre kommt sowohl beim Urinieren als auch bei der Übertragung von Sperma zum Einsatz. Die Frage, ob der Lusttropfen Spermien enthält und ob diese Spermien tatsächlich zu einer Schwangerschaft führen können, wurde noch nicht ausreichend wissenschaftlich beleuchtet und bestehende Studien sind diesbezüglich nicht immer einer Meinung (3-8). Die kurze Antwort lautet ja, der Lusttropfen kann Spermien enthalten, allerdings muss dies nicht bei jedem Menschen der Fall sein.

Beinhaltet der Lusttropfen (Präejakulat) Spermien?

Bis zum Frühjahr 2019 gab es lediglich 5 Studien, die den Spermiengehalt von Präejakulat untersucht hatten. In zwei der Studien wies keiner der Teilnehmenden Spermien im Lusttropfen auf (6, 7). In den drei anderen Studien wurden bei 16 bis 41 Prozent der Teilnehmenden Spermien im Präejakulat festgestellt (3-5). Die Menge an Sperma, die in diesen Studien gemessen wurde, war gering und womöglich wären nicht alle Spermien in der Lage gewesen, eine Eizelle zu befruchten (3-5) – das Risiko einer Schwangerschaft hätte jedoch weiterhin bestanden.

Es gibt mehrere Gründe, aus denen die Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. In einer Studie fanden die Forscher:innen heraus, dass jene Personen, bei denen Sperma im Lusttropfen nachgewiesen wurde, immer Spermien in ihrem Präejakulat aufwiesen, während bei jenen, die kein Sperma in ihrem Lusttropfen aufwiesen, sich niemals Spermien im Präejakulat befanden (3). Aufgrund der Tatsache, dass die Anzahl der Studienteilnehmenden klein war (an allen Studien waren weniger als 45 Teilnehmende beteiligt), ist es möglich, dass manche Studien zufälligerweise keine Teilnehmenden berücksichtigten, die Spermien in ihrem Präejakulat aufwiesen. Zudem unterschieden sich die angewandten Forschungsmethoden und eingesetzen Laborgeräte in den jeweiligen Studien voneinander, sodass in manchen Fällen Sperma möglicherweise zerstört wurde und nicht mehr untersucht werden konnte (3).

Es wird häufig berichtet, dass der Lusttropfen "Restsperma" aus früheren Ejakulationen sei und dass Urinieren vor dem Sex dazu führe, kein Sperma im Präejakulat zu haben (3). Das scheint jedoch nicht richtig zu sein.

In der Studie, in der 41 % der Teilnehmenden Sperma im Präejakulat aufwiesen, hatten alle Teilnehmenden laut Forschenden vor der Abgabe ihrer Probe uriniert (3). Das bedeutet, dass das Sperma in ihrem Präejakulat "neues" Sperma war oder, was unwahrscheinlicher ist, dass Urinieren die Harnröhre nicht vollkommen von Sperma früherer Ejakulationen befreit.

Kein Sperma, keine Schwangerschaft, kein Problem?

Die Rausziehmethode ist als Verhütungsmittel beliebt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie kostenlos ist und keine Planung erfordert (man braucht kein ärztliches Rezept oder muss davor in ein Geschäft gehen). Ihre Anwendung variiert jedoch je nach Alter, Herkunft und Land (9, 10). Außerdem ist sie nicht beliebter als andere Methoden. In den USA greifen 6 von 10 Frauen mindestens ein Mal in ihrem Leben auf die Rausziehmethode zurück, während 9 von 10 Frauen mindestens ein Mal in ihrem Leben ein Kondom verwenden (9). In Europa liegt die Zahl derjenigen, die allein die Rausziehmethode verwenden (ohne den Einsatz anderer Verhütungsmethoden), je nach Land zwischen 1 und 33 von 100 Personen. Die Spirale hingegen wird von 9 bis 24 von 100 Personen verwendet (10). Außerdem nutzen viele Menschen, die die Rausziehmethode anwenden, nicht nur diese Verhütung, sondern kombinieren sie mit Kondomen, Spermiziden und/oder periodischer Enthaltsamkeit (z. B. keinen Sex während bestimmter Zeiten) (9,10).

Die Rausziehmethode kann für manche Menschen eine effiziente Verhütungsmethode sein. Die Partner, für die die Rausziehmethode am besten funktioniert, sind:

  • Menschen, die die Anzeichen einer bevorstehenden Ejakulation zu deuten wissen,

  • Menschen, die ausreichend Selbstdisziplin haben, um den Penis rauszuziehen, obwohl die Versuchung groß ist, es nicht zu tun,

  • Menschen, die einander ausreichend vertrauen, um die Methode wie vereinbart anzuwenden und die mögliche Fehler kommunizieren,

  • Menschen, die kein Sperma in ihrem Lusttropfen aufweisen.

Während die ersten drei Bedingungen Fälle darstellen, in denen ein Mensch die Anwendung lernen und den Einsatz ausbauen kann, ist es ohne Labor unmöglich, zu wissen, ob eine Person Sperma im Präejakulat aufweist oder nicht.

Natürlich ist eine Schwangerschaft nicht das Einzige, worüber man sich beim Sex Sorgen machen muss. Selbst wenn im Lusttropfen einer Person kein Sperma vorhanden ist, kann dieser dennoch das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) (1, 6, 7) und potenziell andere sexuell übertragbare Krankheiten (STI) weitergeben

Wenn du darüber nachdenkst, die Rausziehmethode mit deinem/deiner/deinen Partner:in((e)n) anzuwenden, ist es ratsam, vorab darüber nachzudenken, ob eine mögliche Schwangerschaft für dich in Ordnung wäre, und dich vor der Anwendung auf STI testen zu lassen. Solltest du und dein(e) Partner:in negativ auf sexuell übertragbare Krankheiten getestet worden sein (im Übrigen ist das der einzige Weg für sexuell aktive Personen, dies mit Sicherheit zu wissen, da viele STI ohne spürbare Symptome einhergehen) und eine mögliche Schwangerschaft für dich kein Problem darstellen, könnte die Rausziehmethode das Richtige für dich sein. Um dich zusätzlich zu schützen, könntest du vorher die "Pille danach" besorgen und diese Zuhause aufbewahren, für den Fall, dass die Rausziehmethode nicht rechtzeitig angewendet wurde.

Sollten du und/oder dein/e Partner:in absolut sicher sein, dass eine Schwangerschaft jetzt (oder überhaupt) keine Option ist und euren STI-Status nicht kennen, ist die Rausziehmethode vermutlich nicht das Richtige für euch.

Ganz gleich, welche Verhütungsmethode oder STI-Prävention du verwendest – mit Clue kannst du deine sexuellen Gewohnheiten, Anzeichen einer Schwangerschaft und STI-Symptome tracken.

Dieser Artikel wurde das erste Mal am 22. November 2017 veröffentlicht.

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