Illustration mit einer Person im Rollstuhl, einer Person mit Beinprothese, einer Person mit amputiertem Arm und einer blinden Person mit weißem Gehstock.

Illustration: Marta Pucci & Emma Günther

Lesezeit: 10 min

Menstruieren und Menschen mit Behinderung

Behinderte Frauen und Menschen mit Zyklen haben einen erschwerten Zugang zur Menstruationsversorgung

*Übersetzung: Clara Müller-Kühn

Das Wichtigste zum Thema:

  • Die meisten behinderten Frauen und Menschen mit Zyklen menstruieren

  • Behinderte Frauen und Menschen mit Zyklen sehen sich häufig mit Hindernissen konfrontiert – von nicht-barrierefreien Toiletten über Scham und Stigmatisierung bis hin zu Problemen bei der Beschaffung von Menstruationsprodukten

  • Neue, für behinderte Menschen entwickelte Menstruationsprodukte, z. B. Menstruationstracking-Apps wie Clue, können Abhilfe schaffen

Die Art und Weise, wie Frauen und Menschen mit Zyklen ihre Menstruation erleben, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wenn wir darüber nachdenken, wie sich die Menstruation anfühlt, haben wir oft nicht-behinderte Menschen vor Augen und lassen außer Acht, wie behinderte Menschen ihre Menstruation erleben.

Die meisten Frauen und behinderten Menschen mit Zyklen haben ein funktionierendes Fortpflanzungssystem. Sie erleben die gleichen oder ähnliche Zyklusveränderungen wie nicht-behinderte Menschen. Es gibt jedoch einen großen Unterschied – zu menstruieren kann für behinderte Menschen aufgrund der Hindernisse, derer sie sich gegenübersehen, körperlich und emotional schwierig sein. Sei es, weil Toiletten oder Waschbecken nicht barrierefrei sind oder weil Menstruationsprodukte oder Schmerzmittel gar nicht beziehungsweise nur schwer zugänglich sind.

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Die Sensibilisierung für das Thema Behinderung und Menstruation kann dazu beitragen, die Stigmatisierung zu verringern und behinderte Menschen und ihre Betreuungspersonen zu ermutigen, bei Bedarf Hilfe zu suchen. 

Dieser Artikel erläutert, inwiefern Ressourcen, Informationen und Menstruationsprodukte in der Regel nicht für behinderte Menschen konzipiert sind und wie die Beseitigung von Tabus rund um das Thema Menstruation behinderten Menschen zu einer besseren Menstruationserfahrung verhelfen kann.

Manche Menschen gehen nach dem Prinzip der "Identität zuerst" vor, wenn sie über Behinderungen sprechen. Das heißt, dass die Behinderung zuerst erwähnt wird (1). Bei dieser Formulierungsweise werden Begriffe wie "gehörlose Person" oder "autistische Person" verwendet und nicht "eine Person, die gehörlos ist" oder "eine Person, die autistisch ist". Clue hat sich entschlossen, dem Beispiel der Behinderten-Community zu folgen, die die "Identität zuerst"-Option verwendet. Wir verwenden diese Art der Formulierung auf unserer Website und in diesem Artikel, weil sie es den Menschen ermöglicht, zu ihrer behinderten Identität zu stehen und ihre Zugehörigkeit zu einer größeren Gruppe zu bekunden. Eine andere Art, über Behinderung zu sprechen, ist die "Person zuerst"-Formulierung (1). Manche Menschen bevorzugen die Option, die "Person zuerst" bzw. den "Menschen zuerst" zu nennen, wenn sie über ihre Behinderung sprechen, da die Formulierung "Mensch mit Behinderung" den Menschen vor seine Diagnose stellt.

Was bedeutet "behindert"?

Je nachdem, wen du fragst, erhältst du unterschiedliche Definitionen des Wortes "behindert". Das liegt daran, dass es verschiedene "Modelle" zur Beschreibung von Behinderung gibt. Die Werte von Clue entsprechen dem so genannten "sozialen Modell der Behinderung".

Das soziale Modell der Behinderung besagt, dass eine Person mit einer Beeinträchtigung durch ihr Umfeld und die Gesellschaft behindert wird, und nicht durch die Beeinträchtigung selbst (2). Zum Beispiel wird eine Person, die einen Rollstuhl benutzt, durch Gebäude behindert, die keinen Zugang für Rollstuhlfahrende haben. Der fehlende Zugang verhindert, dass sie in das Gebäude hineingehen können, nicht die Tatsache, dass sie einen Rollstuhl verwenden.

Das soziale Modell der Behinderung lenkt die Aufmerksamkeit auf Barrieren in der Gesellschaft, die Menschen behindern. Andere behindernde Barrieren können blinkende Lichter sein, die Epilepsie auslösen, das Fehlen von Gebärdensprachdolmetscher:innen für Gehörlose oder Schulbesuchsvorschriften für Menschen mit chronischer Erschöpfung.

Bei diesem Modell wird auch anerkannt, dass eine Beeinträchtigung erhebliche Auswirkungen auf das Leben eines Menschen haben kann. Ein Leben mit chronischen Schmerzen kann die Alltagsbewältigung erschweren und Symptome wie Unwohlsein nach körperlicher Anstrengung können die Teilnahme an unterschiedlichen Aktivitäten erschweren, ganz gleich wie barrierefrei sie sind.

Herausforderungen für behinderte Frauen und Menschen mit Menstruation

Innerhalb der Behinderten-Community erleben Menschen ihre Menstruation auf unterschiedlichste Weise. Es gibt jedoch auch einige Hindernisse, mit denen ein Großteil der behinderten Frauen und Menschen mit Zyklen sich konfrontiert sehen:

1. Mangel an barrierefreien Toiletten für behinderte Menschen

Viele Toiletten sind für Rollstuhlfahrende nicht zugänglich. Aus diesem Grund müssen sie ihre Menstruationsprodukte außerhalb der Toilettenkabinen oder an Orten ohne Privatsphäre oder fließendes Wasser wechseln (3). An Orten, wo die Wasserversorgung eingeschränkt ist, müssen behinderte Menschen möglicherweise Menstruationsprodukte wiederverwenden oder können sich nicht die Hände waschen, was das Infektionsrisiko erhöht (4).

2. Fehlende Aufklärung über die Menstruation für behinderte Menschen

In der ganzen Welt existieren verschiedene kulturelle Tabus, die dazu führen, dass Menschen mit Zyklen nicht ausreichend über die Menstruation informiert sind. Dort, wo über die Menstruation aufgeklärt wird, richten sich die Informationen selten an behinderte Menschen. Dies könnte auf den weit verbreiteten Mythos zurückzuführen sein, behinderte Menschen hätten ein anderes Fortpflanzungssystem und würden nicht menstruieren (5).

Informationen zur Menstruation für behinderte Menschen können auch schwer verständlich oder zugänglich sein. Zum Beispiel, wenn es keine Gebärdensprachdolmetscher:innen für taube und schwerhörige Menschen gibt, wenn Sexualpädagog:innen nicht für die Arbeit mit behinderten Menschen ausgebildet sind oder wenn Informationsmaterial nicht ausreichend verständlich für geistig behinderte Menschen geschrieben ist (3, 5). Einige behinderte Menschen, die auf Familienangehörige oder Betreungspersonen angewiesen sind, könnten ebenfalls benachteiligt sein, wenn ihre Betreuungspersonen nicht über die Menstruation aufgeklärt sind (3, 5).

Die Menstruation kann sowohl für die behinderte Person als auch für ihre Pflegekraft belastend und schwierig sein. Kulturell bedingte Vorurteile, dass behinderte Menschen keine Eltern sein oder kein Sexualleben haben sollten, kann die Sichtweise von Betreuungspersonen auf die behinderten Menschen, für die sie sorgen, erschweren (6). Einige Betreuungspersonen sehen keinen Nutzen darin, dass behinderte Menschen ihre Menstruation haben, und verlangen möglicherweise eine Sterilisation (7). Das geschieht vor allem bei geistig behinderten Menschen (7).

Eine Sterilisierung ist unethisch, wenn die behinderte Person dem Eingriff nicht zustimmt. Das Europäische Behindertenforum, eine Organisation, die sich für die Rechte von behinderten Menschen einsetzt, verurteilt die Sterilisierung von behinderten Menschen (8), da sie gegen ihre Menschenrechte verstößt.

3. Scham und Stigmatisierung von Behinderung und Menstruation

Für die meisten nicht-behinderten Menschen ist es eine Selbstverständlichkeit, einen Tampon wechseln zu können. Ein behinderter Mensch hingegen ist nicht unbedingt in der Lage, dies selbst zu tun. Ob mit oder ohne Behinderung – es kostet viele Menschen Überwindung, um Hilfe zu bitten. Besonders unangenehm oder peinlich ist es für viele erst recht, wenn es um Hilfe während der Menstruation geht. Studien deuten darauf hin, dass behinderte Menschen ihre Menstruationsprodukte seltener als empfohlen wechseln oder bestimmte Produkte wie Menstruationstassen, deren Verwendung unter Umständen schwer fällt, nicht verwenden (9).

4. Praktische Probleme für behinderte Menschen Behinderte Menschen sehen sich oft Hindenissen gegenüber, die sie davon abhalten, ihre Menstruation in Würde und Wohlbehagen zu erleben. Menstruationsprodukte werden selten unter Berücksichtigung von behinderten Menschen konzipiert. Ihre Verwendung kann für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, steifen Muskeln, Schmerzerkrankungen oder sensorischen Problemen schwierig sein.

Binden können bei manchen autistischen Menschen zu sensorischen Beschwerden führen, da die Berührung und die Textur Unbehagen verursachen. Das Einführen von Tampons oder Menstruationstassen erfordert den Einsatz der Arme, Hände und Finger und ist für manche behinderte Menschen nicht immer eine praktikable Option.

Auch die Verwendung von Menstruationsprodukten in Kombination mit anderen medizinischen Geräten kann schwierig sein. Rollstuhlfahrende sitzen oft den ganzen Tag – eine Position, in der Binden verrutschen können. Menschen, die einen Blasenkatheter verwenden, haben möglicherweise Schwierigkeiten, bestimmte Produkte zu verwenden, die den Flüsigkeitsaustritt am Katheter nicht absorbieren (4).

Einige chronische Erkrankungen können in der späten Lutealphase und während der Menstruation wieder aufflammen. Das kann daran liegen, dass Entzündungen während der frühen und mittleren Lutealphase zurückgehen können (10). Ein Anstieg von hormonähnlichen Substanzen wie Prostaglandinen kann eine Ursache für Entzündungen sein (10). Häufig treten Migräneattacken, Anfälle und Symptome von Epilepsie oder dem Ehlers-Danlos-Syndrom verstärkt während der Menstruation auf (11, 12, 13).

5. Menstruationsbezogene Kosten für behinderte Menschen

Weltweit leben schätzungsweise 500 Millionen Frauen und Menschen mit Zyklen in sogenannter Periodenarmut, was bedeutet, dass sie sich keine reproduktive Gesundheitsfürsorge und sichere Menstruationsprodukte leisten können (14). Behinderte Menschen leben statistisch gesehen häufiger in Armut oder haben ein geringes Einkommen. Dies kann dazu führen, dass der Zugang zu Menstruationsbedarf wie Wasser und Menstruationsprodukten verwehrt bleibt – eine Situation, die die Diskriminierung von behinderten Frauen und Mädchen verstärken kann (4). Menstruationsprodukte sind nicht billig und viele Menschen, die sie sich nicht leisten können, greifen zu Dingen wie Rinde, Papier oder Stoff, um das Menstruationsblut aufzufangen (15).

Bei einigen behinderten Menschen können zusätzliche Kosten für Schmerzbehandlung, Medikamente, Therapien und Operationen anfallen. Diese Ausgaben mit einem geringen Einkommen zu bewältigen, kann dazu führen, dass ganz gewöhnliche Menstruationsprodukte noch weniger erschwinglich sind. Komfortablere Menstruationsprodukte speziell für behinderte Menschen können teuer sein, wenn man nur ein geringes Einkommen zur Verfügung hat.

Wie gehen behinderte Menschen mit ihrer Menstruation um?

Inzwischen berücksichtigen einige Unternehmen bei der Entwicklung neuer zeitgemäßer Produkte auch die Bedürfnisse behinderter Menschen. Je nach dem, welche Behinderung du hast, können verschiedene Strategien hilfreich sein:

1. Zyklustracking für behinderte Menschen

Das Tracken deines Zyklus kann dir dabei helfen, deine Menstruation vorherzusagen. Mit Menstruationstrackern wie Clue geht das ganz einfach. Das Tracken ist für behinderte Menschen nützlich, weil es ihnen ermöglicht, sowohl ihre Behinderung vor dem Hintergrund ihrer Menstruation als auch ihre Menstruation als solche zu verstehen und besser vorauszuplanen. Bei einigen Menschen mit Epilepsie können Anfälle mit dem Menstruationszyklus zusammenhängen (12), sodass das Tracken ihnen helfen kann, sich des Risikos bewusster zu werden.

2. Innovative Menstruationsprodukte für behinderte Menschen

Die Entwicklung neuer Menstruationsprodukte hilft behinderten Frauen und Menschen mit Menstruation. Menstruationstassen können etwa 12 Stunden lang verwendet werden, halten mehr Menstruationsblut zurück als Tampons und bergen ein geringeres Risiko eines toxischen Schocksyndroms, sodass sie seltener gewechselt werden können und trotzdem sicher sind (15). Der Flex-Cup wurde speziell für Menschen mit Behinderungen entwickelt und verfügt über eine Zuglasche, die das Herausnehmen erleichtert.

Menstruationsunterwäsche ist eine bequeme Alternative zu Einwegbinden. Sie kann für Menschen hilfreich sein, die empfindlich auf Einwegbinden reagieren, oder sie kann zusätzliche Sicherheit bieten, wenn Tampons oder Cups auslaufen. Modi-bodi, eine Marke, die Menstruationsunterwäsche vertreibt, hat kürzlich die Luxe-Kollektion herausgebracht. Diese Kollektion umfasst Unterwäsche mit Verschlüssen auf beiden Seiten, wodurch sie für einige behinderte Menschen einfacher zu verwenden ist.

3. Gesundheitsfürsorge für behinderte Menschen

Du bist behindert und machst dir Sorgen wegen deiner Menstruation? Du solltest dich an eine ärztliche Fachperson wenden. Sie kann Erkrankungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit diagnostizieren, betreuen und behandeln. Es ist einfacher, deine Bedürfnisse gegenüber einem:r Ärztin zu kommunizieren, wenn du ebendiese Bedürfnisse vorher schriftlich festgehalten hast.

4. Aufklärung zu den Themen Behinderung und Menstruation

Die Behinderten-Community revolutioniert das Online-Aufklärungsangebot für behinderte Menschen mit Zyklen und die Menschen, die sie betreuen. Diese Communitys bieten nützliche, zugängliche Informationen in den sozialen Medien. Diese aktiven Support-Gruppen bieten einen Raum, in dem man hilfreiche Tipps und Antworten auf delikate Fragen bekommt. Viele behinderte Menschen teilen ihre Erfahrung auf Plattformen wie Instagram und YouTube. Da die Menschen, die diese Räume nutzen und betreiben, selbst behindert sind, wissen sie aus eigener Erfahrung, wie es ist, als behinderte Person zu menstruieren. Einige Beispiele von prominenten Stimmen auf diesen Plattformen sind Molly Burke, Robyn Steward und Melissa Blake.

Websites, die sich mit Behinderungen befassen, wie die MS Society UK, sind eine weitere Ressource mit vielen Informationen darüber, wie Menschen mit bestimmten Behinderungen mit ihrer Menstruation umgehen. Websites wie The Mighty oder Blogbeiträge verschiedener Marken, die sich mit dem Thema Menstruation befassen, wie Wuka, sind weitere Informationsquellen.

Wie kann die Menstruation inklusiver werden?

Behinderte Frauen und Menschen mit Zyklen stehen vor Hürden, die sie daran hindern, gut mit ihrer Menstruation umzugehen. Eine Änderung der Einstellung gegenüber Behinderungen und der Menstruation kann das Leben von behinderten Menschen mit Zyklen weltweit verbessern. In einigen Gesichtspunkten hat sich die Art und Weise, wie behinderte Menschen ihre Menstruation erleben, in den letzten Jahren verbessert. Tabus rund um die Menstruation verändern sich, es werden Produkte entwickelt, die behinderte Menschen berücksichtigen und es gibt nützliche Informationen im Internet. Letztendlich kann dieser Trend nur eine gute Nachricht für behinderte Menschen mit Menstruation sein.

Nicht behinderte Menschen, die die Menstruation inklusiver machen möchten, können ihren Arbeitgeber bitten, am Arbeitsplatz eine Reihe von Menstruationsprodukten zur Verfügung zu stellen, die alle aus der Belegschaft verwenden können. Wenn du ein Event organisierst, achte darauf, dass Waschbecken und Toiletten so barrierefrei wie möglich sind. Es gibt noch viel zu tun, um Barrieren für behinderte Menschen abzubauen. Als nicht-behinderter Mensch kannst du deine Position nutzen, damit die Stimme von behinderten Menschen Gehör findet und sie selbst kommunizieren können, welche Veränderungen notwendig sind.

Lade Clue herunter, um zu wissen, wann deine Menstruation kommt und darauf vorbereitet zu sein.

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